Meine Reise zum Huhn oder wie Hühner dein Bewusstsein verändern können

12.09.2019

Ich bin wohl einer der wenigen Menschen der sich Hühner nicht wegen der Eier angeschafft hat. Tatsächlich waren mir vogelartige Tiere immer fremd und vor Hühnern empfand ich sogar einen gewissen Ekel. Der Geruch, das Geflattere, die starren Augen, all das waren Features, die in mir eher Bauchweh als Begeisterung hervorriefen. Bis, ja bis, ich im Rahmen unserer Vortragstätigkeit mit meinen Schülern den Leopold traf. Wohl gemerkt hatte ich davor schon Hühner mehr oder weniger gut kennen gelernt. Aber bei Leopold tat sich was. Leopold ist ein Cochin Hahn, ein schüchterner Typ, ein grosser, roter Hahn, stattlich und in seinem Seelchen irgendwie wie ein Lamm. Ganz zart nahm er die Gurke zwischen unseren Fingern (an diesem Tag war es das erste Mal, dass er sich überhaupt traute aus der Hand zu fressen), nur um dann von sämtlichen Hennen beklaut zu werden. Er liess es über sich ergehen. Ich weiss nicht woran es lag. An seinem zarten Gehabe, dass er zu uns Vertrauen fasste und irgendwie auch wir zu ihm. Auf alle Fälle war das der Moment wo für mich das Eis brach. Und ich zum ersten Mal wirklich ernsthaft daran dachte, mir Hühner zuzulegen....

Kurze Zeit später zogen dann Vanilla, Chocolina und Goldie ein. 3 Zwergcochin Hennen, eine sehr zahme und friedliche Rasse. Ganz reibungslos verlief unser Kennen lernen dann aber nicht. Goldie beäugte mich wochenlang mit Argusaugen, beschützte ihre kleine Herde vor mir und war auch jederzeit bereit sich und ihre Sippe zu verteidigen. In wenigen Wochen offenbarte sich mir eine völlig neue Welt, eine neue Sprache, die Bedeutung vieler Dinge. Das Erwachsenwerden hatte zur Folge, dass Vanilla Chefin wurde und mit ihr eine mir sehr zugeneigte Henne das Sagen bekam. Ab da war für mich dann alles einfacher. Sie begrüssen mich wenn sie mich sehen, kommen flatternd durch den Garten herbei gestürzt, sie lieben es zusammen zu sitzen beim Nachmittagstee und Besuch zu bekommen. Der Sohn meiner Freundin ringt ihnen verliebte Blicke ab wenn er sie krault. Ihre "Eiertanz" beim ersten Ei und vielen danach werde ich nie vergessen. Überhaupt das allererste Ei körperwarm in Händen zu halten...wie oft hatte ich Postings und Beiträge belächelt, in denen Menschen das allererste Ei ihrer Hennen huldigten...und plötzlich stand ich da, hielt dieses perfekte warme Ding in Händen und bekam Muttergefühle. Schwummerig vor Ehrfurcht und mit einem Mal auch das ganze unermessliche Elend einer Hybridzucht und Eierproduktionsmaschinerie verstehend...sicher wusste ich Bescheid, aber gefühlt, so wirklich begriffen mit Herz und Seele und verstehen was es für dieses Tier bedeuten muss, konnte ich irgendwie erst jetzt...wer gesehen und erlebt hat wie das Ei angekündigt wird, wie es zelebriert wird, wie sie darauf bestehen, dass jedes Ei eine Feier wert ist, dem kommt die Selbstverständlichkeit abhanden, mit der man in den Supermarkt geht und eine Packung Eier kauft. Mit mir haben diese Hühner und ihre Eier etwas gemacht womit ich am allerwenigsten gerechnet hatte: 

a) Ich esse mehr Eier als je zuvor in meinem Leben, ein bisschen weil es ist wie "was auf den Tisch kommt muss gegessen werden" und da ich täglich sehe wieviel Engagement sie ins Legen investieren, hätte ich ein schlechtes Gewissen was über zu lassen.

b) Ich fühle mich versorgt. Ich weiss, das klingt jetzt lapidar. Selbstversorger. Die Tiere versorgen uns mit XY...wir sagen das oft so vor uns her. In irgendeinem Nebensatz. Aber ich fühle mich durch sie tatsächlich um- und versorgt. Und dieses Gefühl ist in meinem Fall wie ein Pflaster auf eine sehr alte aber sehr tief liegende Wunde, die bisher noch niemand so recht kitten hatte können. 

c) Wieviel Trost ich bei Hühnern finden würde, hätte ich mir nicht vorstellen können. Sie scheinen einen Sensor dafür zu haben, wenn ich traurig bin. Dann stellen sie sich zu mir und sprechen in ihren leisesten Tönen zarte Dinge, die in der Seele schwingen und ihr gut tun.


Ich bin vor einigen Monaten zu dieser Reise aufgebrochen um eine neue Sprache zu lernen, eine neue Kultur, ein neues Wesen. Ich habe in wenigen Wochen so vieles gelernt, so viel Unerwartetes erlebt und gefühlt als wäre ich auf einem anderen Planeten gelandet. Ich bin auch ein wenig stolz auf mich, dieses Abenteuer begonnen zu haben. Warum hast gerade DU jetzt HÜHNER? Haben mich nicht wenige gefragt. Die Antwort ist hier:

Wenn du mit den Tieren sprichst, lernst du sie kennen.
Wenn du nicht mit ihnen sprichst, lernst du sie nicht kennen.
Was du nicht kennst, davor fürchtest du dich.
Was du fürchtest zerstörst du.

(Dan George, Häuptling der Tsleil-Waututh)


Cocolina, Vanilla & Goldie


Andrea Wiesner, PowerPets, 2405 Bad Deutsch Altenburg, Kaiser Konstantingasse 11
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