Brief an Alice

17.01.2018

Liebe Alice,

ich schreibe dir, weil ich dich nirgends mehr erreichen kann. Und weil ich das Gefühl habe du bist gegangen ohne dass ich dir hätte sagen oder zeigen können was du für mich wirklich bedeutet hast.

Ich weiss, es ist ungewöhnlich einem Hund einen Brief zu schreiben. Aber das warst du ja auch: ungewöhnlich. Und manchmal viel mehr als ein Hund. Obwohl das schon sehr viel ist.

Du warst das klügste Geschöpf auf vier Pfoten das mir je begegnet ist. Und du hast es ausgenützt und zu deinem Vorteil genutzt. Ich hab dir so einiges krumm genommen.

Wer dich einmal enttäuscht hatte, dem hast du niemals verziehen. Du warst schonungslos in deinen Konsequenzen. Ganz oder gar nicht. Von Beginn bis zu deinem Ende. Keine halben Sachen. Mit voller Kraft voraus ans Ziel. Egal was es war.

Zuerst einmal muss ich dir sagen wie sehr ich dich bewundert hab. Für deine Zähigkeit und dein dran bleiben, dein alles andere als wehleidiges Wesen. Für deine Begeisterung Dinge zu tun und damit meine ich so gut wie ALLES was man eben tun kann. Du warst immer bei der Sache. 100%ig. Jeden Mist hast du mit gemacht, alles Neue aufgesogen wie einen Schwamm. Mit Begeisterung Mausmasken getragen und Reifen gestapelt, bist Skateboard gefahren und in Kinderwägen gesessen...du hast Bälle getrieben und wenn deine Patella einhakte, notfalls auch mit 3 Beinen. Beim Mantrail hast du geschrien vor Freude aber Menschen die du nicht mochtest hast du einfach nicht gesucht. Wozu auch?

Du hast unsere Katzen kontrolliert und warst mein erweiterter Arm wannimmer DU dachtest ich brauch jetzt mal Unterstützung. Du hast unsere Hunde, die nach dir kamen (mit)erzogen und zu 1 A Hausgenossen gemacht. Ich denke, das habe ich vor allem deiner Strenge und Klarheit zu verdanken. In die Küche gehen- Fehlanzeige, beim Tisch betteln- nicht einmal dran denken sollte einer, denn unter dem Tisch lagst schon du und hast uns alle fern gehalten-

Ich möchte dir sagen wie dankbar ich dir bin. Dafür dass du viele meiner Träume wahr gemacht hast. Mich begleitet hast an Orte, die uns nicht immer gefielen. Immer an meiner Seite, ein Fels in der Brandung, auf dich war Verlass. Wir sind da um uns zu zeigen, hast du gesagt, also zeigen wir uns...

Dankbar dafür dass du mir gezeigt hast was wichtig ist und was nicht, dafür dass du mir was gepfiffen hast wenn ich uns beide unter (Erwartungs)Druck gesetzt habe. 

Ich möchte dir danken. Für die vielen Stunden des Trostes, die du mir geschenkt hast wannimmer ich getrauert habe um einen vierbeinigen Freund. Du hast den Tod verstanden. Du konntest Dinge sehen und wahr nehmen jenseits von dem was mein Auge blicken konnte. Vielleicht kamen letztlich auch deine vielen unerklärlichen Ängste daher, ich denke, einiges war für dich nicht leicht zu verarbeiten.

Ich danke dir, dass du mich mitgetragen hast als Gino starb. Ich wusste, wir empfinden das selbe. Ich habe dich nie so traurig gesehen wie nach seinem Tod. Ich danke dir dafür, dass du die letzten Jahre davor zurück gesteckt hast, als ich nur noch Kraft für ihn aufbringen konnte und all unsere schönen Dinge an Glanz verloren hatten... Und bitte verzeih, dass wir so wenig Zeit für dich hatten. So wenig Augen, so wenig Ohren, so wenig von allem.

Ich möchte dir sagen wie sehr ich dich geliebt habe. Auch wenn ich mir dessen oft gar nicht bewusst war. Gino und du. Ihr ward ein Paar. Und füreinander das wichtigste. Ich dachte oft, eigentlich bist du Ginos Hund. Aber das ist nicht wahr. Du warst mein Mädchen, meine kleine Hexe und Prinzessin, meine Tänzerin, Schauspielerin und mein Knallkopf. Meine Expertin in allen Lebenslagen, mein Anker, meine Unruhe, meine Nervensäge...

Ich möchte dir sagen, wie gerne ich mit dir getanzt hab, gearbeitet, getrickst und wie sehr du mir fehlst. Deine Wärme an meinem Rücken, dein Strahlen, dein Glanz, dein mich für dich in Anspruch nehmen, dein Verrückt sein, dein mich nicht aus den Augen lassen, dein wir gehören zusammen.

Ich stehe heute am Trainingsplatz und kann es nicht begreifen. Ich halte den Ball in den Händen mit dem wir vor 3 Monaten zum letzten Mal spielten...eine Woche später warst du fort.

Du bist gegangen wie du warst. Kompromisslos und ohne zurück zu blicken. Was vorbei ist, ist vorbei. Ganz oder gar nicht. Keinem Professor und keinem Experten ist es gelungen den wahren Grund für dein Entschwinden zu finden...du hinterlässt ratlose Gesichter und ein gebrochenes Herz,

Liebe Alice, irgendwie hoff ich, deine Seele wird meine Worte hören, lesen, verstehen, empfangen. Ich starte jetzt den Versuch dich gehen zu lassen. ich versuche mich nicht mehr so nach dir zu sehnen und irgendwann gelingt es mir vielleicht anzuerkennen, dass du nicht mehr bei mir bist.

Ich wünschte ich hätte etwas von deiner Kraft

Lass dein Aug in der Kammer sein eine Kerze,

den Blick einen Docht,

lass mich blind genug sein,

ihn zu entzünden.

Nein.

Lass anderes sein.

Tritt vor dein Haus

schirr deinen scheckigen Traum an,

lass seine Hufe reden

zum Schnee, den du fortbliest

vom First meiner Seele. (Paul Celan)

Andrea Wiesner, PowerPets, 2405 Bad Deutsch Altenburg, Kaiser Konstantingasse 11
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